Mahnmale für "Gnadentod" und andere NS-Gräuel
Bundespräsident in LSF Graz und in Peggau bei Gedenkfeier für NS-Opfer
Graz.- Die Orte, an denen in der NS-Zeit Verbrechen begangen wurden, sind in ihrer Gesamtheit nahezu unerfassbar – zwei davon stehen am vergangenen Freitag (24. März 2006) im Focus von Erinnerung und schmerzlichem Gedenken an die Opfer: die Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz-Puntigam und Peggau mit einer Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen. Bundespräsident Dr. Heinz Fischer nahm an beiden Feiern teil.
Nur wenige hundert Meter waren es von den Gebäuden des früheren Feldhofes hinunter zu den Bahngeleisen, wo schon die Viehtransportwaggons warteten. Für mehr als 1.000 Patienten des Feldhofes – genau dürften es 1.200 gewesen sein - bedeuteten diese hundert Meter, die sie mit Schlägen von Gewehrkolben entlang getrieben wurden, einen Todesmarsch. Denn am Ende der Bahnfahrt stand das oberösterreichische Schloss Hartheim mit seinen Krematorien. Ärztlicher LSF-Leiter Univ.-Prof. Dr. Rainer Danzinger in seiner Rede: „Wir gedenken hier an Opfer einer brutalen rassistischen Politik der Nazis, die mit einem zynisch formulierten Erlass einen ‚Gnadentod’ zu rechtfertigen versuchte.“ Zu den statistisch erfassten 1.200 Opfern kamen noch rund 300 Kinder, die man im Feldhof einfach verhungern oder erfrieren ließ, auch durch Übermedikamentationen ermordete.
Nachdem Univ.-Prof. DDr. Hans-Peter Kapfhammer als Vorstand der Psychiatrischen Universitätsklinik Graz in seiner Rede hingewiesen hatte, dass auch die Psychiatrie dazu neige, sich einem Zeitgeist unterzuordnen und der damalige Zeitgeist habe leider die Vernichtung „nicht lebenswerten Lebens“ gut geheißen, erklärte der Künstler Univ.-Prof. Dipl. Arch Jànos Koppàndy die Philosophie seines Mahnmals.
Landesrat Dr. Helmut Hirt warnte unter anderem auch davor, dass nicht die Nützlichkeit des Einzelnen für die Gesellschaft die Frage für die Existenzberechtigung sein dürfe und Landeshauptmann Mag. Franz Voves drückte seine Betroffenheit aus, indem er mahnte: „Es ist dies ein Gedenken an Menschen, die einem wahnwitzigen Traum von Rassenreinheit zum Opfer gefallen sind, einer verbrecherischen Ideologie, die nur dem gesunden, reinen, rassisch einwandfreien Menschen das Recht auf Leben zuerkennt.“
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer nahm unter anderem auch Bezug auf Sigmund Freud und die bevorstehende Wiederkehr seines einhundertfünfzigsten Geburtstages und rief zur Vorsicht auf: „Gerade durch Sigmund Freud kennen wir die Gefahr, dass Verdrängtes oft in anderer Form wiederkehren kann. Der Umgang mit Menschen, die durch ihre Behinderungen, Andersartigkeiten und Krankheiten zu Opfern des Nationalsozialismus geworden sind, ist ein Prüfstein für unsere Gesellschaft.“
Die Gebete sprachen gemeinsam Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Seniorin Mag. Karin Engele und Gerard Sonnenschein als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde.
Nach einem Besuch des Kunsthauses Graz begab sich der Bundespräsident per Lift auf den Grazer Schlossberg und anschließend nach Peggau, wo eine weitere Gedenkfeier bei dem von Hartmut Skerbisch gestalteten Mahnmal stattfand. An der abgelegenen Stelle am Fuße der Ruine hatte sich ein Lager als eine der 40 Außenstellen des Konzentrationslagers Mauthausen befunden. Auch dort berührende Worte, die zusätzlich betroffen machten, wenn sie von Angehörigen von Betroffenen der NS-Gräuel stammten. Landeshauptmann-Stellvertreter Dr Kurt Flecker, der kurzfristig für Landeshauptmann Mag. Franz Voves eingesprungen ist, betonte unter anderem, dass hier ein Kapitel der Geschichte ehrlich und schonungslos aufgearbeitet worden sei: „Nicht um Schuld zu übernehmen, sondern um vor Wiederholung zu bewahren.“ Dieses Mahnmal sei ein Aufruf zu Toleranz und Zivilcourage und gegen Verführung.
Und Bundespräsident Dr. Heinz Fischer erinnerte an das Grauen der Menschen, die dort zwangsweise festgehalten wurden und von denen 115 die Haft nicht überlebten: „Je näher das Kriegsende rückte, desto größer wurde der Terror und desto mehr Menschen starben knapp vor der bevorstehenden Befreiung noch einen sinnlosen Tod. Nach Jahrzehnten wurden nunmehr diesen Opfern ihre Namen und ihre Identität wieder gegeben. Dieses Mahnmal ist nicht nur ein Orientierungspunkt in der Landschaft, es soll auch ein Orientierungspunkt für die Gesellschaft sein.“
Graz, am 27. März 2006
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