Aktuelle Untersuchung zum Ehrenamt
Wissenschaftliche Studie beleuchtet die Hauptgründe der Freiwilligentätigkeit

Graz (14. Dezember 2011).- Anlässlich des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit lud Landeshauptmann Franz Voves heute Mittag (14.12.2011) zur Präsentation einer aktuellen Studie ins Medienzentrum Steiermark. Der Landeshauptmann hatte die Abteilung 20 – Katastrophenschutz und Landesverteidigung beauftragt, die ehrenamtliche Tätigkeit in der Steiermark einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise zu unterziehen. „Wir wollten dieses Jahr der Freiwilligentätigkeit mit einer Studie abschließen, die zeigt, was unsere Ehrenamtlichen motiviert und bewegt. Immerhin engagieren sich rund 440.000 Steirer in ihrer Freizeit ehrenamtlich", so Voves. Das Ergebnis der Studie ist eine umfassende Betrachtung der gesellschaftspolitischen Situation der Freiwilligen Einsatzorganisationen.
Unter der Leitung von Leopold Neuhold vom Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Karl-Franzens-Universität Graz und Phillipp Kernbauer von der A 20 wurde eine aktuelle wissenschaftlich empirische Studie zu den steirischen Einsatzorganisationen erarbeitet.
1.088 Fragebögen wurden von Ehrenamtlichen – ein Viertel davon Frauen – aller steirischen freiwilligen Einsatzorganisationen ausgefüllt. Sie waren die Grundlage für wissenschaftlich fundierte Ergebnisse über aktuelle und zukünftige gesellschaftspolitische Herausforderungen und Strategien.
Die wichtigsten Gründe für die ehrenamtliche Tätigkeit
„Das Ergebnis der Studie zeigt, dass nahezu 80 Prozent der Ehrenamtlichen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit am Wohnort nachkommen", erklärt Kernbauer. Die wichtigste Motivation für ehrenamtlichen Einsatz: „Ich bin gern mit anderen Menschen zusammen", unmittelbar danach folgt: „Ich will in meiner Freizeit etwas Vernünftiges tun!" „Laut Studie sind Ehrenamtliche grundsätzlich sehr zufrieden mit ihren Einsatzorganisationen", so Kernbauer. Besonders bedeutsam ist hier der Fokus auf die Aus- und Weiterbildung, welche an erster Stelle der Gründe für die Zufriedenheit stehen, wobei neue innovative Formen der Aus- und Weiterbildung einen besonderen Stellenwert einnehmen.
Ehrenamt als Belastung
Die „zeitliche Belastung" stand bei der Befragung hinsichtlich der Belastungsfaktoren an erster Stelle, erst danach folgten die „belastenden Einsätze". „Fazit: Die Tendenz der Studie richtet sich gegen das Christbaumprinzip, bei dem ehrenamtliche Mitarbeiter mit Aufgaben überhäuft werden nach dem Motto: Der oder die macht das schon", weiß Neuhold. Das Gefühl der Überforderung kann schnell aufkommen und deshalb sollte es konkrete Abmachungen über die Intensität des Einsatzes in zeitlicher Hinsicht geben – auch an Auszeiten wäre zu denken.
Verberuflichung des Ehrenamtes
Im Ehrenamt professionell zu arbeiten, ist äußerst wichtig. Doch die paradoxe Folge des gesteigerten ehrenamtlichen Engagements durch professionelles Handeln kann zur „Professionalisierungsfalle" werden. Es gibt nämlich auch ein Zuviel an Professionalisierung, vor allem dann, wenn die Freude des Dienstes am Nächsten verloren geht, denn Freude an der Tätigkeit ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Selbstverwirklichung.
Erwartungen an die Organisation
An erster Stelle wurden bei der Befragung wiederum die „Teilnahme an qualifizierter Aus- und Fortbildung" genannt. „Kleine Geschenke, Ehren- und Leistungsabzeichen stehen hier nicht im Vordergrund, vielmehr gilt als beste Belohnung die Möglichkeit der Aus- und Weiterbildung für den konkreten Einsatz", so Neuhold.
Inhalte des Engagements
Die Motivation zur freiwilligen Tätigkeit ist vielfältig, es ist ein ganzes Motivationsbündel: von der grundlegenden Hilfe im konkreten Einsatz bis hin zur Selbstentfaltung in der solidarischen Hilfe. Letztendlich darf der Spaß an der Tätigkeit nicht fehlen und ist sogar ein sehr wichtiges Motiv.
Ehrenamtliche sind das soziale Kapital
Betriebe ziehen einen großen Nutzen aus Ehrenamtlichen, sie bringen Wissen, Führungsqualität und soziale Netzwerke mit in ihr alltägliches Berufsfeld. Ehrenamtliche sind das „soziale Kapital" unserer Gesellschaft, eine kleine Einheit wirkt gemeinschaftsbildend und stiftet Identität. Jedoch muss zwischen sozialem und verwaltungstechnischem Lebensraum unterschieden werden. Durch die Zusammenarbeit der regionalen Einheiten und die Nutzung aller tauglichen regionalen Ressourcen können Einsparungspotentiale genutzt und in weiterer Folge die Identität aufrecht erhalten werden.
Aufruf an die Öffentlichkeit
Es ist wichtig, den Umständen angepasstere und tragfähige Strukturen für das Ehrenamt zu schaffen. Essentiell ist nicht nur der materielle Input, sondern auch die Anerkennung dieser Arbeit. „Durch die konkrete Wertschätzung und verbale Anerkennung der Leistungen entsteht Wertschöpfung", so die Studienautoren.
Anregungen für die Praxis
Landesbranddirektor Albert Kern zieht aus der Studie wichtige Schlüsse für seine künftige Arbeit: „Wir müssen uns bemühen, die Anregungen aus dieser Untersuchung umzusetzen. In puncto Ausbildung sind wir bereits auf einem guten Weg." Für Rot-Kreuz-Präsident Gerald Schöpfer bestätigt die Studie Ergebnisse seiner Organisation: „Wir haben insgesamt 10.000 Mitarbeiter, davon arbeiten 9.000 auf freiwilliger Basis. Wir hatten noch nie so einen großen Zulauf wie jetzt, erfreulicherweise sind rund 50 Prozent unserer Freiwilligen unter 19 Jahre alt. Allerdings sinkt das Zeitbudget der Menschen."
Mehr Details finden Sie in der Studie.
Für weitere Informationen steht Ihnen Philipp Kernbauer unter Tel.: 0316/877-3875 zur Verfügung.
Graz, am 14. Dezember 2011