Bosnien: Zarte Pflanze der Versöhnung soll wachsen
Unvollendeter Frieden nach beendetem Krieg in Bosnien und Herzegowina
Graz (28. März 2012).- Allen politischen Rückschlägen am Balkan zum Trotz herrsche ein neuer Geist, der Dinge ermögliche, die vor ein paar Jahren noch nicht denkbar gewesen seien, sagte Valentin Inzko, Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina, der per Live-Schaltung an der gestrigen Diskussionsveranstaltung "Unvollendeter Frieden nach beendetem Krieg in Bosnien und Herzegowina" im bis auf den letzten Platz gefüllten Medienzentrum Steiermark teilnahm. Und er nannte Beispiele: In Belgrad strömten kürzlich rund 60.000 Menschen zu einem Konzert eines bosnisch-muslimischen Sängers, die drei Präsidenten (der Präsident der Bundesrepublik und der zwei sogenannten Entitäten, der Föderation aus mehrheitlich bosniakischen bzw. kroatischen Landesteilen und der Republika Srpska) würden sich regelmäßig treffen und austauschen etc. "Die zarte Pflanze der Versöhnungsarbeit soll weiter wachsen." Inzko ist überzeugt, dass der jetzt diskutierte und angestrebte Beitritt zur Nato und zur EU endgültig die Weichen für eine positive Entwicklung des Landes in Richtung Frieden und Wohlstand stellen werde. Auch wenn es kein einfacher Weg sei.
Letzteren Befund teilten seine Mitdiskutanten Bernhard Bair, der die EUFOR ALTHEA Truppen von Dezember 2009 bis Dezember 2011 in Bosnien Herzegowina befehligte, Florian Bieber vom Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz und Jörg Hofreiter, Honorarkonsul für Bosnien und Herzegowina. Florian Bieber gab vor allem zu bedenken, dass "Bosnien nach wie vor von einem Friedensvertrag ´regiert´ wird, der nie dazu da war, als Basis für einen Staat zu fungieren". Denn das System sei mit vielen Veto-Möglichkeiten versehen, so können drei Abgeordnete Gesetze blockieren uvm. 20 Jahre nach Kriegsbeginn gäbe es noch immer keinen Konsens über einen gemeinsamen bosnischen Staat, so Bieber. "Die Parteien gewinnen Wahlen mit Angst und Misstrauen, eine politische Dynamik, die sich selbst verstärkt."
Positiver sah Honorarkonsul Jörg Hofreiter die bosnische Situation. "Es sind sicher Versöhnungsdefizite verhanden, aber es gibt eindeutig Frieden, auch wenn das Staatskonstrukt noch nicht vollendet ist. Und nicht zu vergessen, Bosnien und Herzegowina ist in fast allen internationalen Organisationen vertreten." Auch Hofreiter betonte, dass ein Nato- und EU-Beitritt den notwendigen Impuls für eine Entwicklung in die richtige Richtung geben würde.
Dem Umstand, dass sich Österreich generell sehr in Bosnien Herzegowina engagiert (Österreich ist wirtschaftlich der größte Investor und stellt aber auch mit 360 Soldaten die größte Truppe unter den 26 Ländern, die an der Mission teilnehmen.), ist es wohl zu verdanken, dass ein Österreicher, der Tiroler Bernhard Bair, Chef der EU-Truppen war. Bair beurteilte gestern die Sicherheitslage in Bosnien Herzegowina durchaus positiv. "1995 sorgten noch 60.000 Nato-Soldaten für die Sicherheit. Als die EU-Mission startete, waren es 7.000 Soldaten und derzeit noch rund 1.200. In den zwei Jahren in denen ich die EUFOR Truppen führte, war die Sicherheitslage eindeutig stabil. Die größte Sorge sind die mehreren zehntausend Tonnen Munition, die noch im Land sind und vernichtet werden müssen, sowie geschätzt fast eine Million illegaler Handfeuerwaffen, und das bei einer Einwohnerzahl von vier Millionen!" Aber auch er sehe viele positive Zeichen wie beispielsweise die gemeinsamen Übungen und Trainingsprogramme von Kompagnien und Bataillonen.
Die zahlreichen Wortmeldungen von bosnischen Veranstaltungsbesuchern, die schon seit geraumer Zeit in Graz leben, machten auch deutlich, dass sie sich ein Ende des politischen Stillstands in ihrem Land eher aufgrund der Dynamik eines angestrebten EU-Beitritts erwarten als aufgrund der Initiative bosnischer Politiker.
Initiator der Veranstaltung, die in Kooperation von Landespressedienst Steiermark, dem Steirischen Presseclub und dem Militärkommando Steiermark stattfand, war Oberst Gerhard Schweiger vom Militärkommando Steiermark, der für neun Monate das Pressezentrum der EUFOR Truppen in Sarajewo leitete. Moderiert wurde die Veranstaltung von APA-Redakteur Peter Kolb.
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Graz, am 28. März 2012
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